Frakturen und Verletzungen
Unterthemen
Klassifikation:
Bezüglich der Bezahnung:
- Frakturen im bezahnten Kiefer.
- Frakturen im zahnlosen oder zahnarmen Kiefer.
- Frakturen im Milch- und Wechselgebiss.
Bezüglich der Lokalisation:
- Frakturen innerhalb der Zahnreihe:
- Die Einteilung gilt auch sinngemäß für die Frakturen im zahnlosen und zahnarmen Kiefer sowie im Milch- und Wechselgebiss.
- Median im Milchgebiss, paramedian bei Erwachsenen. Geringe Dislokation.
- Eckzahnregion: Prädilektionsstelle für Unterkieferfrakturen innerhalb der Zahnreihe.
- Dislokation: Kleines Fragment nach oben gezogen und nach innen gekippt (Mundschließer). Großes Fragment nach unten gezogen (Mundöffner).
- Seitenzahngebiet:
Dislokation bei mesial ansteigen Schrägbrüchen und bei Querbrüchen: Kleines Fragment nach oben (Mundschließer) und innen (M. pterygoideus lateralis).
Dislokation bei distal ansteigenden Schrägbrüchen: Keine Abweichung nach oben, Seitenabweichung möglich.
- Frakturen außerhalb der Zahnreihe:
- Kieferwinkel:
Weiterer Schwachpunkt für Unterkieferfrakturen. Oft liegt der teilweise oder vollständig retinierte Weisheitszahn im Bruchspalt. Bei Muskelriss weicht das kleine Fragment nach außen (M. masseter) und oben (M. temporalis) ab. - Aufsteigender Ast:
Längsbruch von der Incisura semilunaris zum Kieferwinkel.- Dislokation meistens gering.
- Querbruch unterhalb der Incisura semilunaris:
- Dislokation nach oben (M. temporalis) und medial (M. pterygoideus lateralis) mit Drehpunkt im Kiefergelenk.
- Fraktur des Processus muscularis:
Meistens in Verbindung mit Jochbein- und Unterkieferfrakturen. Dislokation nach oben (M. temporalis).
Symptomatik:
- Bruchspalthämatom: Druckschmerzhafte Schwellung, Unterkieferrand nicht durchtastbar.
- Okklusionsstörung: Stufenbildung bei Brüchen in der Zahnreihe.
- Abnorme Beweglichkeit der Fragmente.
- Stauchungsschmerz bei Druck aufs Kinn.
- Anästhesie im Unterlippen- und Kinnbereich bei Schädigung des N. alveolaris inferior.
- Röntgenuntersuchung: Jede Frakturstelle muß in zwei Ebenen dargestellt werden:
- Seitliche Unterkieferbereiche und aufsteigende Äste: Schädelaufnahme p.a. und Panoramaschichtaufnahme.
- Frontzahnbereich: Panoramaschichtaufnahme und Unterkieferaufbissaufnahme oder seitliche Schädelaufnahme.
- Zusätzlich Zahnfilme der dem Bruchspalt benachbarten Zähne.
Konservative Therapie
Reposition und Fixation der frakturierten Fragmente ohne Zuhilfenahme operativer Verfahren, ausgenommen Zahnentfernung aus dem Bruchspalt und operative Versorgung von Weichteilverletzungen.
Kontrollierte Spontanheilung:
Eine Spontanheilung von Knochenfrakturen ist möglich, wenn die Frakturenden nicht oder nur minimal gegeneinander beweglich sind.
Indikation:
Geschlossene Unterkieferfraktur ohne Dislokation und ohne Okklusionsstörung.
Therapie:
- Während der ersten zwei Wochen nur Breikost, danach langsam auf Normalkost übergehen.
- Regelmäßige Kontrolluntersuchungen. Tritt während der Beobachtungszeit eine Abweichung der Frakturenden oder eine Okklusionsstörung auf, so sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich (s. unten).
- Bei komplikationslosem Verlauf werden die Kontrolluntersuchungen durchgeführt, bis eine knöcherne Heilung eingetreten ist.
Monomaxilläre Fixation:
Interfragmentärer Schienenverband im Unterkiefer ohne intermaxilläre Fixation.
Indikation:
Nur geringe Dislokation und genügend Zähne in beiden Fragmenten.
Therapie:
- Anlegen einer Draht-Kunststoff-Schiene. Dabei werden die Ligaturen in Bruchspaltnähe nicht ganz fest angezogen und auch nicht mit Kunststoff armiert. Nach Entfernung der okklusalen Häkchen wird die Okklusion eingestellt. Anschließend werden die bruchspaltnahen Ligaturen angezogen und mit Kunststoff armiert.
- Bei Verwendung einer im Labor hergestellten Schiene muss die Reposition der Fragmente am Modell erfolgen. Beim Einsetzen der Schiene erfolgt dann gleichzeitig die Reposition der Fragmente.
- Die Schiene muss stabil sein und darf eine Bewegung der Fragmente nicht zulassen. Bei unzureichender Stabilität ist zusätzlich eine intermaxilläre Fixation erforderlich.
- Der Schienenverband kann nach sechs Wochen entfernt werden.
Mandibulo-maxilläre Fixation:
Bimaxillärer Schienenverband mit intermaxillärer Fixation.
Indikation:
Behandlung von Frakturen im Seitenzahnbereich, und im aufsteigenden Ast sowie der nicht ausreichend mit einer monomaxillären Schiene zu stabilisierenden Frakturen der anterioren Region.
Voraussetzung: Ausreichende Bezahnung in allen Kieferabschnitten.
Therapie:
- Anlegen von Draht-Kunststoff-Schienen im Unter- und Oberkiefer.
- Die Reposition der dislozierten Fragmente wird während der Schienung vorgenommen.
- Gegebenenfalls muss die Unterkieferschiene an der Frakturstelle durchtrennt werden. Die Fragmente werden dann in zentrale Okklusion gebracht und durch intermaxilläre Ligaturen fixiert.
- Bei älteren Frakturen kann die Reposition bei geteilter Schiene durch straffe intermaxilläre Gummizüge innerhalb von 24 bis 48 Stunden vorgenommen werden.
- Nach Reposition der Fragmente und intermaxillärer Fixation werden die beiden Schienenteile durch einen Überbrückungsdraht und selbsthärtenden Kunststoff miteinander verbunden.
- Soll ein indirekter Schienenverband verwendet werden, so erfolgt die Reposition am durchgesägten Modell, indem die Fragmente mit dem Oberkiefermodell in zentrale Okklusion gebracht werden.
- Bei Frakturen im Kieferwinkel und im aufsteigenden Ast, die außerhalb der Zahnreihe liegen, wird nur das zahntragende Fragment ruhiggestellt. Die mandibulo-maxilläre Fixation reicht dann nur aus, wenn keine wesentliche Dislokation vorliegt.
- Zeigt die Röntgenkontrolle nach intermaxillärer Fixation eine Dislokation, so muss zusätzlich eine Osteosynthese (s. unten) vorgenommen werden.
- Postoperativ bleibt die starre intermaxilläre Fixation des Unterkiefers durch Drahtligaturen für drei Wochen in situ. Nach Ablauf dieser Zeit werden die Drahtligaturen durch Gummizüge ersetzt, die eingeschränkte Bewegungen des Unterkiefers zulassen und zu den Mahlzeiten herausgenommen werden.
- Nach insgesamt sechs Wochen können die Schienen in der Regel entfernt werden. Bei Frakturen innerhalb der Zahnreihe wird die Unterkieferschiene zuvor an der Bruchstelle durchtrennt, damit geprüft werden kann, ob die Fragmente ausreichend fest konsolidiert sind. Bei stärkerer Beweglichkeit müssen die Schienenteile wieder miteinander verbunden werden und noch länger in situ verbleiben.
Operative Therapie
Befestigung von Frakturverbänden im zahnlosen und zahnarmen Kiefer und im Milch- und Wechselgebiss durch Drahtumschlingung und -aufhängung.
Reposition und Fixation frakturierter Knochenfragmente durch Osteosynthese.
Perimandibuläre Drahtumschlingung:
Fixation eines Schienenverbandes durch Drahtumschlingung des Unterkiefers.
Indikation:
Fixation von Prothesen, Schienen und Schienenteilen im unzureichend bezahnten Unterkiefer.
Therapie:
- Eine Ahle wird extraoral eingestochen und auf der lingualen Seite des Unterkiefers durch die Mundbodenschleimhaut geführt. Dort wird ein Draht aufgenommen und mit der Ahle um den Unterkiefer herum ins Vestibulum geführt. Durch Zusammendrehen der Drahtenden über der Schiene oder Prothese wird diese am Kiefer fixiert.
- Folgende Möglichkeiten kommen zur Anwendung:
- Fixation eines Prothesensattels einer Draht-Kunststoff-Schiene durch Drahtumschlingung des Unterkiefers.
- Zur ausreichenden Fixation einer Prothesenschiene oder einer Prothese werden vier perimandibuläre Drähte benötigt. Diese Fixation kann als alleinige Maßnahme bei nicht zu stark dislozierten Frakturen im Frontzahnbereich des Milch- und Wechselgebisses angewandt werden.
- An den Durchtrittsstellen der Drähte im Vestibulum und im Mundboden bleiben punktförmige Wunden zurück, die erst nach Abnahme des Schienenverbandes abheilen können. Eine perioperative antibiotische Abdeckung für einige Tage ist sinnvoll.
- Zur Vermeidung von Infektionen ist zusätzlich postoperativ eine sorgfältige Mundpflege erforderlich.
- Der Schienenverband soll bei Kindern etwa vier Wochen, bei Erwachsenen sechs Wochen in situ verbleiben.
Zygomatiko-maxilläre Aufhängung des Unterkiefers:
Intermaxilläre Fixation durch Aufhängung der perimandibulären Drahtumschlingungen an den Jochbögen und am knöchernen Rand der Apertura piriformis (Vierpunktaufhängung).
Indikation:
Frakturen im Milch- und Wechselgebiss, wenn eine mandibulo-maxilläre Fixation erforderlich ist.
Bei Frakturen im zahnlosen und zahnarmen Unterkiefer von Erwachsenen ist das Verfahren heute weitgehend durch die funktionsstabile Osteosynthese verdrängt. Es wird hier nur noch angewandt, wenn bei stark atrophischem Unterkiefer eine Plattenosteosynthese auf Schwierigkeiten stoßen würde oder der Allgemeinzustand des Patienten eine solche Operation nicht zulässt.
Therapie:
- Bei Kindern wird nach manueller Reposition der Fragmente eine vorbereitete Prothesenschiene eingesetzt und mit vier perimandibulären Drähten fixiert.
- Anschließend werden Drahtumschlingungen an den Jochbögen angelegt (siehe Mittelgesichtsfrakturen). Zur Anbringung der vorderen Drähte muss die Apertura piriformis von einem Schnitt im Vestibulum dargestellt werden. Am lateralen knöchernen Rand der Apertur werden auf beiden Seiten Bohrlöcher angelegt, durch die Aufhängedrähte gezogen werden.
- Nach Einstellung des Unterkiefers in zentrale Okklusion werden die Aufhängedrähte mit den perimandibulären Drahtenden zusammengedreht.
- Bei Erwachsenen verwendet man am besten die vorhandenen Prothesen als Verbandsplatten. Die Unterkieferprothese wird mit vier perimandibulären Drähten eingebunden und die Oberkieferprothese an den Jochbögen und an der Apertura piriformis aufgehängt. Durch Zusammendrehen der unteren und der oberen Drahtenden wird der Unterkiefer in zentraler Okklusion fixiert.
- Eine perioperative antibiotische Abdeckung für einige Tage ist sinnvoll.
- Der Schienenverband bleibt bei Kindern drei bis vier Wochen, bei Erwachsenen sechs Wochen in situ.
Drahtnaht:
Älteste und einfachste Form der unterstützenden operativen Behandlung von Kieferfrakturen: Die Drahtnaht ist als Osteosynthese nicht ausreichend stabil. Die Fragmente werden durch sie lediglich adaptiert; zur Ausschaltung der Muskelkräfte ist daher immer ein Schienenverband mit mandibulo-maxillärer Fixation erforderlich.
Indikation:
Im Milch- und Wechselgebiss bei dislozierten Frakturen außerhalb der Zahnreihe oder bei freihändig nicht reponierbaren Frakturen innerhalb der Zahnreihe, wenn bei einer funktionsstabilen Osteosynthese mit Zahnkeimschädigungen gerechnet werden muss.
Bei Erwachsenen sind Drahtligaturen heute fast vollständig durch funktionsstabile Osteosynthesen verdrängt worden, weil diese ohne intermaxilläre Fixation auskommen.
Therapie:
- Der Bruchspalt wird in der Regel von einem extraoralen Zugang dargestellt. Nach Mobilisation der Frakturenden werden am Unterkieferrand Bohrlöcher zur Aufnahme der Drahtnaht angelegt. Nach Reposition und mandibulo-maxillärer Fixation der Unterkieferfragmente werden die Enden der Drahtnaht zusammengedreht, wodurch die Fragmente adaptiert werden.
- Der Schienenverband soll sechs Wochen in situ verbleiben
- Die Drahtnaht kann nach drei Monaten entfernt oder auch auf Dauer belassen werden.
Plattenosteosynthese:
Bei der Plattenosteosynthese wird eine Lochplatte über dem Frakturspalt mit Schrauben befestigt.
- AO-Plattenosteosynthese:
Die Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese (AO) verwendet Platten aus Stahl oder Titan, die eine funktionsstabile Verschraubung der Fragmente unter Kompression gewährleisten und damit eine primäre Knochenbruchheilung ermöglichen. Die knöcherne Überbrückung des Frakturspalts verläuft dabei bedeutend schneller als bei einfacher Adaptation der Fragmente durch eine Drahtnaht oder eine Schraubenplatte ohne Druckanwendung.
Ein weiterer Vorteil ist die Stabilität der Fragmente, so dass auf eine mandibulo-maxilläre Fixation weitgehend verzichtet werden kann.
Die Schraubenlöcher der AO-Platten (Dynamic Compression Plate, DCP) sind so konfiguriert, dass ein sphärisches Gleitprinzip der Schraubenköpfe in den Gleitlöchern möglich ist. Nach exzentrisch platzierter bikortikaler Bohrung werden die Schrauben eingedreht, wobei diese mit dem Knochenfragment bruchspaltwärts abgedrängt werden, so dass eine Kompressionswirkung resultiert.
Für die Kieferwinkelregion verwendet man am besten speziell gebogene 6- oder 8-Loch-Rekonstruktionsplatten, die in der Regel für die Fixation von Knochentransplantaten gebraucht werden. In die Löcher der Rekonstruktionsplatte ist das sphärische Gleitprinzip in beiden Richtungen eingearbeitet.
Die Osteosyntheseplatten müssen auf der Druckseite des Unterkiefers am Unterkieferrand auf der bukkalen Seite angebracht werden. Günstiger wäre eine Applikation auf der Zugseite im Bereich des Alveolarfortsatzes. Dies ist jedoch aufgrund der anatomischen Gegebenheiten nicht möglich. Die exzentrisch am Unterkieferrand angreifende Platte ist jedoch nicht in der Lage, die im Alveolarfortsatz vorhandenen Zugkräfte völlig auszuschalten.
Zur Vermeidung einer interfragmenären Unruhe bei der Bewegungsfunktion muss im bezahnten Kiefer zusätzlich eine Zuggurtung angebracht werden. Zur Stabilisierung im Alveolarfortsatzbereich kann eine Draht-Kunststoff-Schiene, die den Bruchspalt überbrückt, angefertigt werden.
Daneben gibt es Platten, deren Außenlöcher schräg (45°) oder senkrecht (90°) zur Plattenachse stehen (Eccentric Dynamic Compression Plate, EDCP). Hier ist das Zuggurtungsprinzip bereits eingearbeitet: Bei Eindrehen der Schrauben in die Außenlöcher wird eine Kompression auch im Alveolarfortsatz aufgebaut.
Als eine weitere Fehlermöglichkeit ergibt sich ein Klaffen der lingualen Seite bei bukkaler Kompression. Dieser Tendenz kann durch geringfügiges Hohllegen der Platte über dem Bruchspalt (Kompensationsbiegung) wirksam begegnet werden.
- Indikation:
Frakturen im zahnlosen und zahnarmen Unterkiefer.
Stärker dislozierte Frakturen im bezahnten Unterkiefer. Unterkieferfraktur in Kombination mit funktionell zu behandelnder Gelenkfraktur.
Bei Frakturen, die allein durch Schienenverbände behandelt werden können, sollte der Patient entscheiden, ob er die konservative oder die operative Therapie vorzieht.
- Therapie:
- Reposition der Fragmente, Einstellung der Okklusion und Fixation durch mandibulo-maxilläre Drahtligaturen.
- Anlegen einer Zuggurtungsplatte (EDCP) im Bereich der Frakturstelle mit Kompensationsbiegung.
- Alternative: Zuggurtung durch Draht-Kunststoff-Schiene. Anlegen einer DCP mit Kompensationsbiegung über intraoralen oder extraoralen Zugang.
- Bei Mehrfachfrakturen auch Verwendung einer durchgehenden Rekonstruktionsplatte.
- Nach funktionsstabiler Osteosynthese können die mandibulo-maxillären Drahtligaturen entfernt werden.
- Röntgenkontrolle.
- Metallentfernung nach drei Monaten.
- Plattenosteosynthese nach Luhr:
Die Luhr-Platten bestehen aus Vitallium und haben zwei gegenüberliegende exzentrische Löcher, die den Aufbau einer Kompression gestatten. Die äußeren Löcher sind rund und für die Aufnahme von Halteschrauben vorgesehen. Die Platte wird so platziert, dass der Frakturspalt zwischen den exzentrischen Kompressionslöchern liegt. Auch hier werden bikortikale Schrauben verwandt.
Indikation und therapeutisches Vorgehen wie bei der AO-Osteosynthese.
- Osteo-Plattenosteosynthese:
Die Platten haben auf der einen Seite ein Kompressionsloch und ein Gleitloch, auf der anderen Seite zwei neutrale Rundlöcher. Daneben gibt es Platten mit vier Rundlöchern, einem Gleitloch und zwei oder drei Kompressionslöchern. Für die Kieferwinkelregion stehen Winkelplatten zur Verfügung.
Die Platte wird zunächst auf der neutralen Seite mit bikortikalen Schrauben fixiert. Dann wird eine Schraube ins Gleitloch eingebracht, aber noch nicht fest angezogen. Beim Einschrauben der Kompressionsschraube werden die Fragmente unter Druck gesetzt. Anschließend wird die Gleitschraube festgezogen.
Indikation und therapeutische Vorgehen wie bei der AO-Osteosynthese.
- Miniplattenosteosynthese nach Champy:
Miniplatten werden auf der Zugseite am Alveolarfortsatz angebracht. Diese Seite ist aus biomechanischen Gründen günstiger, weil die Zugkräfte hier von der Platte leichter kompensiert werden können als auf der Druckseite. Man kommt also mit kleiner dimensionierten Platten und monokortikalen Schrauben aus.
Die Platten werden im Kieferwinkelbereich auf der Linea obliqua externa und im Seitenzahnbereich an der Alveolarfortsatzbasis unterhalb der Zahnwurzeln und oberhalb des Mandibularkanals angebracht.
Im Frontzahnbereich reicht eine subapikale Platte nicht aus, weil hier zusätzlich auftretende Torsionskräfte aufgefangen werden müssen. Es ist daher in diesem Bereich die Anbringung einer zweiten Platte am Unterkieferrand erforderlich.
Nicht selten wird auch im seitlichen Unterkieferbereich und im aufsteigenden Ast eine zweite Platte angebracht, weil bei frakturnaher Belastung eine Umkehr von Zug- und Druckseite eintreten kann.
- Indikation:
Alle Unterkieferfrakturen, die nicht allein durch mandibulo-maxilläre Fixation behandelt werden können oder wenn ein Patient die Plattenosteosynthese einer sechswöchigen mandibulo-maxillären Fixation vorzieht.
- Therapie:
- Reposition der Fragmente, Einstellung der Okklusion und Fixation durch mandibulo-maxilläre Drahtligaturen.
- Miniplattenosteosynthese im Bereich der Frakturstelle über intraoralen Zugang.
- Die mandibulo-maxillären Drahtligaturen sollten etwa eine Woche in situ verbleiben.
- Röntgenkontrolle.
- Metallentfernung nach drei Monaten.
- Osteosynthese mit Mini-Fixation-System:
Bei diesem neuen System (Freiburger Klinik, AO-Institut Davos) besitzen die Schraubenlöcher der Platten ein Innengewinde für den Schraubenkopf. Die selbstschneidenden Schrauben verfügen über ein zusätzliches Außengewinde im Schraubenkopf, das in das Innengewinde der Platte passt. Die Schrauben werden nach Positionierung der Platte ohne Vorbohrung des Knochens mit einer motorbetriebenen Schraubenhalterung eingedreht.
Durch dieses System wird die Verankerung der Platte verbessert. Erste klinische Anwendungen zeigten gute Ergebnisse.
Indikation und therapeutisches Vorgehen wie bei der Miniplattenosteosynthese.
- Resorbierbare Plattensysteme:
Neuerdings werden auch resorbierbare Platten und Schrauben für die Osteosynthese verwandt, die nicht mehr entfernt werden müssen.
Über klinische Erfahrungen mit diesem Material gibt es noch nicht genügend Publikationen.
Zugschraubenosteosynthese:
Die Frakturflächen werden unter Druck miteinander verschraubt. Nur in dem schraubenkopffernen Fragment werden Bohrlöcher mit Gewinde angelegt (Gewindelöcher), während die Bohrlöcher im schraubenkopfnahen Fragment so weit geschnitten werden, dass die Schrauben darin gleiten können (Gleitlöcher). Beim Festziehen der Schrauben werden die Fragmente aufeinander gepresst.
Indikation:
Im Unterkiefer hauptsächlich bei Schrägfrakturen im Frontzahnbereich und in den Seitenzahnbereichen sowie bei Kieferwinkelfrakturen.
Therapie:
- Reposition der Fragmente, Einstellung der Okklusion und Fixation durch mandibulo-maxilläre Drahtligaturen.
- Anlegen von Bohrlöchern mit dem Kerndurchmesser der Schrauben in beiden Fragmenten.
- Nachbohrung der Löcher auf den Gewindedurchmesser im schraubenkopfnahen Fragment.
- Einbringen der Zugschrauben mit Druckwirkung beim Festziehen der Schrauben.
- Nach der Osteosynthese können die intermaxillären Ligaturen entfernt werden.
- Röntgenkontrolle.
- Metallentfernung nach drei Monaten.