Entzündungen
Unterthemen
Odontogene oder traumatische Entstehung.
Paratonsillärer Abszess
Eiterung in der Umgebung der Tonsille, meistens im Bereich des vorderen Gaumenbogens.
Von der Tonsille ausgehende Schlupfwinkelinfektion, der vielfach eine chronische Tonsillitis oder ein Angina vorausgegangen ist.
Ausbreitung eines Taschenabszesses bei Dentitio difficilis eines unteren Weisheitszahnes in die Tonsillenregion.
Symptomatik:
Tonsillogener paratonsillärer Abszess: Die befallene Tonsille ist mit der angrenzenden Schleimhaut gerötet und geschwollen. Schluckbeschwerden, Lymphadenitis der regionären Lymphknoten und Fieber sind meistens vorhanden.
Überweisung an einen HNO-Arzt.
Odontogener paratonsillärer Abszess bei Dentitio difficilis: Taschenabszess am unteren Weisheitszahn mit umschriebener Rötung und Schwellung der Schleimhaut zwischen Tonsille und Weisheitszahn. Schluckbeschwerden. Bei Beteiligung des Parapharyngealraumes kommt eine Kieferklemme hinzu.
Therapie:
- Narkose oder Analgosedierung.
- Tascheninzision im Bereich des Weisheitszahnes.
- Zwischen Schleimhaut und Pharynxmuskulatur wird von der Inzisionswunde in den paratonsillären Abszess eingegangen.
- Tamponade der paratonsillären Abszesshöhle und des eröffneten perikoronaren Raumes des Weisheitszahnes.
- Antibiotikatherapie.
- Beseitigung der Ursache nach Abklingen der akuten Entzündung.
Wangenabszess, paramandibulärer Abszess
Eiterung im Wangenfett zwischen M. buccinatorius und mimischer Muskulatur.
Eine Eiterung im unteren, lateral des Unterkiefers gelegenen Anteil des bukkalen Raumes wird als paramandibulärer Abszess bezeichnet.
Die Abszesse der Wange und der paramandibulären Region werden durch fortgeleitete Infektionen pulpentoter Zähne – insbesondere der Molaren des Ober- oder Unterkiefers hervorgerufen. Ferner kann sich ein submuköser Abszess in die Wangenregion ausbreiten. Seltener sind Ausbreitungen perimandibulärer, submandibulärer, masseterico-mandibulärer, pterygomandibulärer, parapharyngealer, retromandibulärer und retromaxillärer Abszesse in die Wangenregion.
Symptomatik:
Wangenabszess: Im Zentrum derbe und druckschmerzhafte, in der Peripherie ödematös-weiche Wangenschwellung vom Vorderrand des Masseters bis zur Mundwinkelgegend reichend. Infraorbitalregion und Unterlid sind meistens einbezogen. Der Unterkieferrand ist in der Regel durchtastbar.
Paramandibulärer Abszess: Die Schwellung liegt tiefer und bezieht in der Regel die Unterlippe ein. Das kollaterale Ödem kann über den Unterkieferrand, der aber noch durchtastbar bleibt, hinausreichen.
Bei beiden Abszessformen ist intraoral eine starke Wangenschwellung vorhanden; in der sich vorwölbenden glasig verquollenen Schleimhaut erkennt man meistens die Impressionen der gegenüberliegenden Zähne.
Wenn der Abszess der Wangenregion mit einem submukösen Abszess kombiniert ist, findet man im Vestibulum zusätzlich eine entsprechende Symptomatik (siehe Eiterungen in der Umgebung der Alveolarfortsätze).
In fortgeschrittenen Fällen kann der Abszess die mimische Muskulatur durchbrechen und sich in das subkutane Fettgewebe ausbreiten. Die anfangs nur leicht gerötete und verschiebliche Hautdecke nimmt dann eine dunkelrote Farbe an und ist mit dem tiefen Entzündungsprozess verbacken. Der bevorstehende Eiterdurchbruch nach außen kündigt sich durch Fluktuation an (subkutaner Abszess).
Der Wangenabszess kann sich auch zur Mundhöhle hin entwickeln, was sich durch eine stärkere Schwellung und Rötung der Schleimhaut und durch Fluktuation ankündigt.
Bei Eiterungen der Wangenregion kann die Körpertemperatur erhöht sein.
Ausbreitungsmöglichkeiten:
- Submandibularloge durch die Faszienlücke der Fazialisgefäße.
- Nach dorsal in den masseterico-mandibulären, pterygo-mandibulären und parapharyngealen Raum.
- Nach medial-dorsal in den retromaxillären Raum, die Flügelgaumengrube und in die Infratemporalregion.
Therapie (stationäre Aufnahme meistens erforderlich, ambulante Behandlung nur bei wenig ausgedehnten Entzündungsprozessen):
- Narkose oder Analgosedierung.
- Intraaorale Inzision in der Umschlagsfalte. Nach Ablösung des Periosts gelangt man in die Abszesshöhle.
- Bei Abszessen des Oberkiefers, die im Wangenbereich tiefer liegen als die obere Umschlagsfalte, ist eine Gegeninzision in der unteren Umschlagsfalte zur Eröffnung auch des unteren Bereiches der Abszesshöhle erforderlich.
- Drainage durch Salbenstreifen.
- Bei Abszessen mit subkutaner Ausbreitung ist neben der intraoralen Eröffnung zusätzlich eine extraorale Inzision erforderlich.
- Paramandibuläre Abszesse, die über der Unterkieferrand hinaus nach unten abgesunken sind, werden wie ein perimandibulärer Abszess von einem submandibulären Schnitt aus eröffnet.
- Bei fieberhaften Entzündungsprozessen Antibiotikatherapie.
- Beseitigung der Ursache nach Abklingen der akuten Entzündung.
Zungenabszess
Abszesse der Zunge kommen sowohl im Zungenkörper als auch am Zungengrund vor.
Abszesse des Zungenkörpers sind oberflächlich lokalisiert; sie entstehen in der Regel nach Verletzungen.
Der Zungengrundabszess liegt medial in dem zwischen der Zungenmuskulatur vorhandenen Bindegewebsraum, der lateral von den MM. geniohyoidei und genioglossi, oben und dorsal von der zungeneigenen Muskulatur und kaudal vom Zungenbein und dem M. mylohyoideus begrenzt wird.
Der Zungengrundabszess kann von den unteren Schneidezähnen ausgehen, gleichzeitig ist eine Ausbreitung in die Submentalregion möglich. Ferner besteht die Möglichkeit, dass eine Eiterung der Sublingualloge in den Zungengrund eindringt.
Symptomatik:
Abszess des Zungenkörpers: Umschriebene druckschmerzhafte Schwellung mit geröteter, oft glänzender und glatter Schleimhautoberfläche. Behinderung beim Sprechen und Schlucken.
Zungengrundabszess: Schwellung der gesamten Zunge und des Mundbodens sowie der Submentalregion. Die Sprache ist kloßig und schwer verständlich und das Schlucken äußerst schmerzhaft. Ein kollaterales Glottisödem kann Atembeschwerden und Luftmangel auslösen.
Eine Ausbreitung in die Submentalregion und in die Sublingualloge ist möglich.
Die Körpertemperatur ist in der Regel erhöht.
Therapie:
- Abszess des Zungenkörpers:
- Lokalanästhesie oder Analgosedierung
- Inzision möglichst vom Zungenrand aus.
- Zungengrundabszess: Stationäre Aufnahme.
- Intubationsnarkose.
- Extraorale Inzision und Eröffnung der Submentalloge. Medianer Schnitt in der Raphe des M. mylohyoideus und Eröffnung des medianen Bindegewebsraumes bis zum Zungengrund.
- Drainage.
- Antibiotikatherapie.
Submentaler Abszess
Eiterung in der Submentalloge, die oben durch den M. mylohyoideus, unten durch die Fascia colli superficialis und das Platysma, lateral durch die vorderen Biventerbäuche und dorsal durch das Zungenbein begrenzt wird.
Der submentale Abszess entsteht meistens sekundär aus einer Eiterung der Sublingual- oder Submandibularloge, seltener geht er von den Frontzähnen des Unterkiefers aus, wobei sich gleichzeitig ein Zungengrundabszess entwickeln kann.
Symptomatik:
Bei isoliertem Submentalabszess findet man eine derbe druckschmerzhafte Schwellung unter dem Kinn in der Mittellinie, die bis zum Zungenbein reicht. Der Kinnrand ist von oben her tastbar. Intraoral kann der Mundboden etwas angehoben sein.
Nicht selten sind die Submandibularregion sowie die Sublingualloge und gelegentlich auch die Zunge in den Entzündungsprozess einbezogen.
Therapie:
- Isolierter submentaler Abszess: Ambulante Behandlung möglich.
- Narkose oder Analgosedierung.
- Bogenförmige Inzision parallel zum Kinnrand, die Haut und Subkutangewebe durchtrennt. Sagittale Inzision des Platysma und der Fascia colli superficialis zur Eröffnung der Submentalregion.
- Drainage.
- Submentalabszess mit Beteiligung der Nachbarlogen: Stationäre Behandlung.
- Intubationsnarkose.
- Inzision wie oben beschrieben und gleichzeitige Eröffnung der mit betroffenen Nachbarlogen.
- Drainage.
- Antibiotikatherapie.
Parapharyngealer Abszess
Eiterung zwischen dem M. pterygoideus medialis und der Muskulatur der seitlichen Pharynxwand.
Der parapharyngeale Abszess kann von den unteren Molaren, insbesondere vom Weisheitszahn ausgehen. Häufiger breiten sich Entzündungen der Submandibularloge oder des retromaxillären Raumes in den Parapharyngealraum aus.
Symptomatik:
Der parapharyngeale Abszess hat die gleiche Symptomatik wie der pterygomandibuläre Abszess (s. 1.2.3). Eine Differenzierung der beiden Abszessformen ist daher in der Regel erst bei der operativen Eröffnung möglich.
Ausbreitungsmöglichkeiten:
- Ventral unten in die Submandibularloge.
- Dorsal lateral in den retromandibulären Raum (Parotisloge).
- Dorsal in den Recessus parastyloideus, und an den großen Gefäßen (A. carotis interna, V. jugularis interna ) und Nerven (N. glossopharyngeus, N. vagus, N. accessorius, N. hypoglossus, N. sympathicus) absteigend in das Karotisdreieck.
- Medial in den retropharyngealen Raum und von dort aus absteigend in das Mediastinum.
Therapie (stationäre Aufnahme):
- Intubationsnarkose.
- Extraorale Inzision vor den Fazialisgefäßen, Darstellung des Unterkieferrandes und Eröffnung der Submandibularloge und des Parapharyngealraumes. Eiterentnahme.
- Nach Eiterabfluss wird die parapharyngeale Region ausgetastet. Ist die Innenseite des aufsteigenden Astes vom M. pterygoideus medialis bedeckt, so liegt ein parapharyngealer Abszess vor. Tastet man dagegen die mediale Knochenlamelle des aufsteigenden Astes, so wurde ein pterygomandibulärer Abszess eröffnet.
- Drainage des Parapharyngealraumes und der Submandibularloge.
- Antibiotikabehandlung.
- Beseitigung der Ursache nach Abklingen der akuten Entzündung.
- Zur Beschleunigung der Rückbildung der Kieferklemme Kurz- oder Mikrowellenbestrahlungen und Dehnübungen.